Texte fürs Web
Inhalt
- Wie lesen Web-User am Bildschirm?
- Wie müssen Texte geschrieben sein, damit sie von Web-Usern gelesen werden?
- Was machen User sonst noch mit Texten?
Ich lasse für diesen Vortrag alle grafischen Elemente Web-Design mit
GIFs und JPEGs und so weiter einfach mal auf der Seite. Es ist mir
egal, wie die Web-Seiten aussehen.
Der Buch-Autor Frank Puscher gibt mir dabei
recht. Er schreibt: «Design spielt keine Rolle.»
Er stützt sich dabei auf Forschungsergebnisse aus dem Jahr 2000. Untersuchungen haben ergeben, dass die meisten Web-User als erstes Text anschauen, wenn sie auf eine Seite kommen. «Von den ersten drei Augenfixierungen waren nur 22 Prozent auf den grafischen Elementen, 78 Prozent konzentrierten sich auf die Texte», schreibt Puscher.
Dieses Resultate zeigen uns, wie wichtig Texte im Web sind.
Nun zu unserer ersten Frage:
Wie lesen Web-User am Bildschirm?
Zahlreiche Studien sagen, dass Web-User Texte am Bildschirm scannen. Das heisst, wir überfliegen den Text und suchen nach Wörtern, die uns die Informationen vermitteln, die wir suchen.
Wenn wir Web-Seiten überfliegen tun wir dies oft in grosser Eile.
Warum? Weil lesen am Bildschirm im Grunde sehr unangenehm ist.
Das bringt uns zu unserer zweiten Frage:
Wie müssen Texte geschrieben sein, damit sie von Web-Usern gelesen werden?
und zwar trotz des Umstandes, dass die User nur ungern am Bildschirm lesen.
Es werden folgende Grundregeln für das Schreiben von Texten im Web empfohlen:
- In einfacher, klarer Sprache schreiben
- Kurz schreiben
- Text gliedern und Textteile hervorheben
Zum ersten dieser Punkte:
Einfache, klare Sprache
Es hat sich gezeigt,
dass Texte besser ankommen, die in einer Sprache geschrieben sind, die sachlich,
direkt und faktenorientiert ist.
Weniger gut kommen Texte an, die Sprachwitz
oder blumige, umständliche Formulierungen enthalten.
Sehr unbeliebt ist
Werbesprache, die mit Superlativen und Schwärmereien grosse Versprechungen
macht.
Anhaltspunkte für klare, einfache Sprache sind
- aktive Verben benutzen (besser: «klirren», «stürtzen», «jubeln», «erzittern» als «beinhalten», «sich befinden» oder «liegen»)
- einfache Satzmuster (Subjekt, Verb, Objekt)
- keine Füllwörter (wie «eigentlich», «nun», «halt», «an sich», «ziemlich», «einfach» oder «irgendwie»)
- keine unbekannten Fremdwörter
- keine Abkürzungen
Zweitens:
Kurz schreiben
Im schnellen Medium Internet muss die Information auch schnell bei der Leserin oder dem
Leser sein.
Wir kennen die kurzen Texte aus den anderen Medien:
- Kurznachrichten gibt es in der Zeitung, im Radio und am Fernsehen.
- kürzere Texte, die wir ebenfalls kennen: Anriss auf der Front-Seite einer Zeitung, Teaser als Ankündigung eines TV-Beitrags später in der Sendung, Lead, ein kurzer Vorspann mit der Zusammenfassung des Wichtigsten.
- Noch kürzere Texte sind die Schlagzeile, der Titel und Bildlegenden.
Im Web begegnen uns diese und andere kurze Textformen in neuen Gestalten wieder:
- Kurznachrichten auf News-Seiten, Eintragungen in Web-Logs. Im gleichen Umfang bewegen sich die meisten beschreibenden Texte auf Firmen- und Privatseiten. ( Beispiel: MacWeb.ch)
- Teaser und sogenannte Blurbs als Hinweise auf weitere Inhalte und Erklärungen zu Links, Artikelbeschreibungen in Shops. ( Beispiel: Migros.ch)
- Titel, Seitenüberschriften als Teil der Navigation und Seitentitel. ( Beispiel: Statistik Kanton Zürich)
Aus dem
Journalismus ist es bekannt, dass gerade die kürzesten Texte am schwierigsten zu
schreiben sind. Schlagzeilen und Titel werden meist im Team ausgebrütet und oft
spricht der Chefredaktor/die Chefredaktorin das letzte Wort.
Daran sehen wir,
welche Sorgfalt das Schreiben dieser Texte erfordert. Das gilt auch für das Web.
Dritter Punkt, wie Texte im Web geschrieben sein sollten, damit sie gelesen werden:
Text gliedern und Textteile hervorheben
Die einfachste Regel für die Gliederung von Texten fürs Web liefert uns wieder der Journalismus:
- «Das Wichtigste zuerst.»
Im ersten Satz will die Leserin oder der Leser wissen, um was es geht. Alle für das Verstehen relevanten Informationen müssen in den ersten Zeilen enthalten sein. Im News-Journalismus heisst es, die Nachricht muss die wichtigsten W-Fragen beantworten. Das sind die Fragen «Wer handelt?», «Was passiert?», «Wo und wann ist oder wird es geschehen?».
Weitere Hilfsmittel zur Gliederung sind Absätze und Zwischentitel (auch aus den Printmedien bekannt). Als zusätzliche beliebte Elemente kommen im Web Aufzählungspunkte (HTML: <ul></ul>-Tag), Hervorhebungen durch fette Schrift und unterstrichene Hyperlinks dazu.
Der Usability-Guru Jakob Nielsen hat nachgewiesen, wie die Lesbarkeit von Texten im Web verbessert werden kann (eigenes Beispiel auf Deutsch):
Site Version | Sample Paragraph | Usability Improvement (relative to control condition) |
---|---|---|
Promotional writing (control
condition) using the "marketese" found on many commercial websites |
Nebraska is filled with internationally recognized attractions that draw large crowds of people every year, without fail. In 1996, some of the most popular places were Fort Robinson State Park (355,000 visitors), Scotts Bluff National Monument (132,166), Arbor Lodge State Historical Park & Museum (100,000), Carhenge (86,598), Stuhr Museum of the Prairie Pioneer (60,002), and Buffalo Bill Ranch State Historical Park (28,446). | 0% (by definition) |
Concise text with about half the word count as the control condition | In 1996, six of the best-attended attractions in Nebraska were Fort Robinson State Park, Scotts Bluff National Monument, Arbor Lodge State Historical Park & Museum, Carhenge, Stuhr Museum of the Prairie Pioneer, and Buffalo Bill Ranch State Historical Park. | 58% |
Scannable layout using the same text as the control condition in a layout that facilitated scanning | Nebraska
is filled with internationally recognized attractions that draw large crowds of people
every year, without fail. In 1996, some of the most popular places were:
| 47% |
Objective
language using neutral rather than subjective, boastful, or exaggerated language (otherwise the same as the control condition) | Nebraska has several attractions. In 1996, some of the most-visited places were Fort Robinson State Park (355,000 visitors), Scotts Bluff National Monument (132,166), Arbor Lodge State Historical Park & Museum (100,000), Carhenge (86,598), Stuhr Museum of the Prairie Pioneer (60,002), and Buffalo Bill Ranch State Historical Park (28,446). | 27% |
Combined version
using all three improvements in writing style together: concise, scannable, and objective | In 1996, six of the most-visited places in Nebraska were:
| 124% |
(Quelle: How Users Read on the Web. Jacob Nielsen's Alertbox, 1997.)
Eigenes Beispiel auf Deutsch:
Text-Version | Beispieltext | Verbesserte Usability |
---|---|---|
Werbesprache
(Basis) viel Bla bla | Zürich, die Stadt, die die Römer Turicum nannten, ist die wahre Perle an der Limmat. Neben weiträumigen Parkanlagen am See bietet diese grüne Lunge einladende Flaniermeilen und verführerische Freizeitparks. Zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten, die kein Zürichbesucher verpassen sollte, gehören der Chinagarten, der Lindenhof, die Fraumünsterkirche mit den weltberühmten Chagall-Fenstern. Und natürlich nicht zu vergessen ist die Bahnhofstrasse, die unzählige Geschäfte der Haut Couture beheimatet. | 0% (Basis) |
Gekürzter Text zirka die Hälfte der Wörter | Zürich ist eine Stadt mit vielen Grünflächen, Freizeit- und Einkaufsmöglichkeiten. Besucherinnen und Besucher bevorzugen Sehenswürdigkeiten wie den Chinagarten, den Lindenhof, die Chagall-Fenster in der Fraumünsterkirche und die Bahnhofstrasse. | 58% |
Scannbare
Textgestaltung Der Text in Werbesprache mit Hervorhebungen und Aufzählungsliste | Zürich, die Stadt, die die Römer Turicum nannten, ist die wahre Perle an der Limmat. Neben weiträumigen Parkanlagen am See bietet diese grüne Lunge einladende Flaniermeilen und verführerische Freizeitparks. Zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten, die kein Zürichbesucher verpassen sollte, gehören
|
47% |
Sachliche
Sprache klare, faktenorientierte Sprache, sonst gleicher Inhalt wie Text in Werbesprache | Die Römer nannten Zürich Turicum. Die Stadt an der Limmat bietet weiträumige Parkanlagen, Flaniermeilen und Freizeitparks. Zu den beliebtesten Zürcher Sehenswürdigkeiten gehören der Chinagarten, der Lindenhof, die Chagall-Fenster in der Fraumünsterkirche und die Bahnhofstrasse mit den zahlreichen Boutiquen namhafter Marken. | 27% |
Kombination aller Textvarianten kurz, scannbar, sachlich | Die bei Touristen beliebtesten
Sehenswürdigkeiten Zürichs:
|
124% |
Noch ein Tipp zur inhaltlichen Gestaltung von Texten im Web: Pro Text ein Thema. Die Informationen sind so konzentrierter und die Texte können besser erfasst werden. Das hat natürlich auch etwas mit der Strukturierung der Inhalte (Information Architecture) zu tun.
Was machen User sonst noch mit Texten?
Bisher war davon die Rede, wie Web-User in der Eile Seiten scannen, auf der Suche nach Anhaltspunkten, die sie zur gesuchten Information bringen sollen.
Selbstverständlich gibt es auch Site-Besucher, die haben sich mit den gefundenen Informationen zufrieden gegeben und sind nun bereit auch einen längeren Text zu lesen.
Was interessant ist: Laut Untersuchungen wirken in längeren Texten zu häufige Hervorhebungen und Hyperlinks eher störend auf die Leserinnen und Leser. Für lange Fliesstexte gelten also nicht mehr die gleich strengen Anforderungen, wie für kurze Texte.
Damit unsere Text im Web gut ankommen, gilt es zu beachten, welche weiteren Gewohnheiten User haben:
- Menschen, die nicht so gut sehen, wollen die Texte skallieren (vergrössert darstellen).
- User wollen Informationen weiter verwerten und wenden dazu oft Copy/Paste an.
- Viele lesen lieber auf Papier und drucken deshalb eine Web-Seite aus.
Praktisch alle Browser bieten die Möglichkeit, Text zu vergrössern oder zu verkleinern. Das wird gemacht, auch wenn dabei das Layout über den Haufen geworfen wird.
Wenn zu erwarten ist, dass Leute die Texte (wegen der wertvollen Informationen) kopieren möchten, dann empfiehlt es sich, einen Text nicht auf mehrere Seiten zu verteilen.
Dasselbe gilt für Texte, die gerne ausgedruckt werden. Auch längere Texte können auf einer einzigen Seite dargestellt werden. User stören sich wenig an langen Seiten, auch wenn sie weit nach unten scrollen müssen.
Zum Schluss:
Texte in PDF-Files
Es ist beliebt und sinnvoll, bestehende
(Print-)Texte als PDF-Datei anzubieten.
Die User sollten allerdings nicht dazu
gezwungen sein, PDF-Files online zu lesen.
Denn dazu muss zuerst das
PDF-Viewer-Plug-In gestartet werden. Die gewohnte Browsers-Umgebung wird verlassen. Im
PDF-Viewer stehen dem User meist nicht die aus dem Browser bekannten
Navigationsmöglichkeiten zur Verfügung. Einige (alte) Browser (mit alten
Plug-Ins) könnten gar abstürzen.
Auf keinen Fall sollte ein Link aus der
Navigation direkt auf ein PDF-File verweisen.
PDF-Dokumente werden am optimalsten
auf einer separaten HTML-Seite aufgelistet. Dort kann der Inhalt kurz beschrieben werden.
Ein expliziter Hinweis, dass diese Dokumente zum Downloaden und zum Ausdrucken sind, wird
empfohlen.
Fazit
Texte fürs Web haben ebensolche Aufmerksamkeit
verdient, wie die grafische Gestaltung einer Web-Seite.
Meist enthalten die Texte
die wichtigsten Informationen oder sie weisen darauf hin. Ist das Ziel unserer Web-Seite,
dass diese Informationen bei den Usern ankommen, müssen wir die Texte klar,
verständlich und gut lesbar gestalten wir schaffen dadurch Vertrauen
und Glaubwürdigkeit.
Quellen und Links zum Thema
- Nielsen, Jakob: How Users Read on the Web.
- Nielsen, Jakob: Avoid PDF for On-Screen Reading.
- Jerz, Dennis G.: Blurbs: Writing Previews of Web Pages.
- Puscher, Frank: Das Usability-Prinzip.
- Krug, Steve: Don't Make Me Think.
- Dr. Web: «…und immer an den Leser denken» – Schreibe im Netz.
- Bucher, Stefan: Journalismuskurs. li>